"Unser Ziel ist es, die Gleichstellung mit der Digitalisierung voranzubringen. Zum Beispiel durch die Erhöhung des Frauenanteils in Digitalberufen, das mobile Arbeiten oder die Bekämpfung von Diskriminierung im Netz."
Christine Lambrecht, Bundesgleichstellungsministerin
Roboter im Operationssaal, Dienstleistungen von Handwerkern oder Reinigungskräften per App, Algorithmen bei der Personalauswahl - neue Technologien verändern die Wirtschafts- und die Arbeitswelt. Neue Berufe entstehen, andere werden wegfallen. Durch die Digitalisierung eröffnen sich viele berufliche Perspektiven - insbesondere auch für Frauen. Doch gerade in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen sowie in der Informatik sind sie immer noch unterrepräsentiert.
Der digitale Wandel kann nur gelingen, wenn er von Frauen und Männern gemeinsam gestaltet wird. Doch in der Digitalbranche sind nur 16 Prozent der Beschäftigten weiblich. Apps, Mikrochips und andere technische Neuerungen werden fast nur von Männern entwickelt - eine weibliche Sicht bleibt damit außen vor. Deshalb muss sich die Arbeits- und Unternehmenskultur in der Digitalwirtschaft verändern: hin zu mehr Vielfalt. Bei Mädchen und jungen Frauen muss zudem das Interesse für Berufe in diesem Bereich geweckt, ihnen der Einstieg erleichtert und gleiche Aufstiegschancen müssen ihnen ermöglicht werden. Die Sachverständigenkommission empfiehlt, schon frühzeitig den Weg für Mädchen und Frauen zu ebnen, später in IT-Unternehmen einzusteigen, eine Ausbildung in klassisch naturwissenschaftlich-technischen Berufen zu machen oder Informatik zu studieren.
Deshalb fördert das Bundesgleichstellungsministerium die "Initiative Klischeefrei" und Projekte wie den "Girls’Day" oder "YouCodeGirls", die Mädchen und junge Frauen dazu ermutigen, ihre Berufswahl frei von Geschlechterklischees zu treffen.
Wer in der Digitalbranche ein eigenes Unternehmen gründet, bestimmt mit, welche Innovationen auf den Markt kommen. Hinter 70 Prozent aller Gründungen in diesem Wirtschaftsbereich stehen jedoch reine Männerteams. Das hängt vor allem mit alten Rollenbildern zusammen oder der mangelnden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit mehr Frauen in der Digitalbranche gründen, braucht es eine bessere Unterstützung. Die Sachverständigenkommission hält folgende Punkte für entscheidend: Frauen müssen einen besseren Zugang zu Kapital bekommen, das sie für die Gründung benötigen, und weibliche Vorbilder müssen in der Öffentlichkeit präsenter werden.
Um das zu erreichen, unterstützt die Bundesregierung mit verschiedenen Maßnahmen Gründerinnen und Unternehmerinnen, sichtbarer zu werden und ein starkes Netzwerk aufzubauen. In der Initiative "Frauen unternehmen" ermutigen rund 200 Unternehmerinnen andere Frauen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Mit dem Modellprojekt "Frauen Unternehmen Zukunft" der bundesweiten gründerinnenagentur (bga) werden Handlungsempfehlungen für zeitgemäße und passgenaue Gründerinnenangebote entwickelt - unter anderem zum Schwerpunkt Digitalisierung.
Was vor ein paar Jahren noch unwirklich klang, ist heute Realität: Künstliche Intelligenz (KI) prägt unser Leben. Wenn es um die Vergabe von Krediten geht oder um die Personalauswahl sind KI-Systeme, Algorithmen und ihre Daten die Grundlage für maßgebliche Entscheidungen. Sie sind allerdings nie vollkommen neutral. Denn ein Algorithmus ist nur so gut wie die Daten, mit denen er trainiert wird. Er darf keine Stereotype oder diskriminierende Strukturen abbilden - und beispielsweise Elternzeit als Unterbrechung im Lebenslauf als Nachteil bei der Jobsuche werten. Die Entscheidungsverfahren solcher Systeme müssen transparent sein und sensibel behandelt werden.
Die Corona-Pandemie bringt Schwung in die Digitalisierung. Immer mehr Menschen arbeiten von zuhause aus. Das erleichtert ihnen die Balance zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit - sofern die Kinderbetreuung geregelt ist. Andererseits ist dieser Schub noch nicht in allen Branchen angekommen. Und nicht überall ist Homeoffice möglich, etwa in systemrelevanten Berufen wie der Pflege oder im Einzelhandel. Dort arbeiten überwiegend Frauen. Auch sie können durch Künstliche Intelligenz, Online-Handel oder Online-Beratung entlastet werden. Die Digitalisierung muss alle Bereiche mitnehmen. Damit Frauen und Männer die Chancen der Digitalisierung in allen Bereichen nutzen können, fördert die Bundesregierung die MINT-Bildung von Mädchen und Frauen.
Wir können mit Verwandten am anderen Ende der Welt sprechen, unsere Gesundheit mit der Smartwatch überwachen oder Einkäufe erledigen, ohne das Haus zu verlassen. Digitale Technologien erleichtern unser Leben. Und sie verbinden uns untereinander und mit der Welt. Eine positive Entwicklung, die jedoch auch Schattenseiten hat. Denn im Netz und in sozialen Medien werden Menschen beschimpft, ausgegrenzt, beleidigt und sogar bedroht - Opfer von digitaler Gewalt sind oftmals Frauen. Aber das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Jeder Mensch sollte sich dort ohne Anfeindungen und Diskriminierung frei bewegen können.
Auf Facebook, WhatsApp, Instagram und Co. sehen wir viele Gesichter und lesen verschiedene Meinungen. Jede und jeder kann Teil davon sein und sich vernetzen. Viele Mädchen und Frauen tun das bereits: Sie treten für Gleichberechtigung ein und geben ihren Ideen eine Stimme. Aber auch in sozialen Medien werden Menschen ausgegrenzt oder bewegen sich nur in ihren Nischen. Häufig wird die Vielfalt unserer Gesellschaft online nicht ausreichend abgebildet oder von Stereotypen verdrängt.
Die Sachverständigenkommission fordert deshalb positive Vorbilder und geschützte Räume, in denen Menschen sich frei und unabhängig bewegen können. So ein Raum ist beispielsweise das Gendermagazin "meintestgelaende.de", das vom Bundesgleichstellungsministerium gefördert wird. Dort können junge Menschen über die Themen Gleichberechtigung, Vielfalt oder Geschlechtergerechtigkeit schreiben. Mit der Initiative "Gutes Aufwachsen mit Medien" fördert das Bundesgleichstellungsministerium außerdem die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Solche digitalen Angebote helfen, Geschlechterstereotype zu überwinden.
Wenn Worte wie "Hate-Speech" oder "Cyber-Stalking" in unseren Sprachgebrauch Einzug halten, wird deutlich, dass Gewalt auch im Netz allgegenwärtig ist. Sexualisierte Gewalt richtet sich im Internet häufig gezielt gegen Mädchen und Frauen. Deshalb müssen sie im digitalen Raum besonders geschützt werden. Die Sachverständigenkommission fordert, die Beratungsinfrastruktur für (geschlechtsbezogene) digitale Gewalt auszubauen und die digitalen Kompetenzen der Beschäftigten in Fachberatungsstellen und Gewaltschutzeinrichtungen zu stärken. Mit der bundesweiten Initiative "Stärker als Gewalt" geht das Bundesgleichstellungsministerium gegen geschlechterbezogene Gewalt im Netz vor.
Die Digitalisierung wird unsere Lebens- und Arbeitswelt verändern und kann für alle Vorteile bringen. Sie ist aber kein Selbstläufer. Damit keine geschlechterspezifischen Ungleichheiten entstehen, braucht es die Bereitschaft in der Gesellschaft und eine Gleichstellungspolitik, die den digitalen Wandel geschlechtergerecht begleitet.
Die Erkenntnisse des dritten Gleichstellungsberichts fließen deshalb in die Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik ein. Die Empfehlungen daraus sollen mit der Gleichstellungsstrategie fortgeschrieben werden.
Mit der "Bundesstiftung Gleichstellung" wird ein offenes Haus für die Gleichstellung geschaffen. Menschen können sich dort austauschen und vernetzen. Die Stiftung wird neue Ideen entwickeln und Impulse für die Gleichstellung von Frauen und Männern setzen und sie aktiv voranbringen.
Der Dritte Gleichstellungsbericht beschäftigt sich mit der Frage, wie die Digitalisierung geschlechtergerecht gestaltet werden kann und enthält Empfehlungen der unabhängigen Sachverständigenkommission.
Eine Zusammenfassung des Gutachtens
The Expert Opinion of the Third Gender Equality Report of the Federal Government addresses the issue of how digitalisation can be shaped in a gender-equitable way.