Die Corona-Pandemie zeigt uns ganz aktuell, wie wichtig die Themen des Neunten Familienberichts für unsere Gesellschaft sind. Für viele Familien ist die Pandemie eine große Belastung und verlangt ihnen viel ab. Kitas und Schulen sind zeitweise geschlossen, der Alltag muss unter schwierigen Bedingungen und mit vielen Einschränkungen neu organisiert werden. Hinzu kommen finanzielle Sorgen: durch den Verlust des Arbeitsplatzes oder durch Kurzarbeit. Die Pandemie hat gezeigt, dass unsere Familienpolitik Eltern auch in Krisenzeiten stärkt. Unterstützungsleistungen für Familien konnten schnell an die neue Lage angepasst werden, zum Beispiel mit dem Notfall-Kinderzuschlag oder einem flexibleren Elterngeld. Die aktuelle Situation hat vor allen Dingen bestätigt, wie wichtig eine gute und verlässliche Betreuungsinfrastruktur für Eltern ist. Dass sich Eltern auf Betreuungs- und Bildungseinrichtungen verlassen können, erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile. Außerdem sind die finanziellen Risiken durch Jobverlust oder Kurzarbeit geringer, wenn beide Eltern arbeiten. Eltern kommen besser durch solche Krisen, wenn sie finanzielle Risiken und Verantwortung partnerschaftlich teilen können.
Die Welt um uns herum verändert sich. Mit ihr verändert sich auch das Familienleben. Was bleibt, ist, dass die Kinder für Eltern im Mittelpunkt stehen. Als Eltern wollen sie die beste Erziehung, Bildung und Förderung für ihre Kinder. Und jedes Kind hat eigene Bedürfnisse, die gesehen werden wollen.
Dieser Anspruch an gute Erziehung steht aber einem veränderten Alltag gegenüber. Nicht allen Ansprüchen können Eltern immer gerecht werden. Ihnen fehlt die Zeit, das Geld oder das Wissen. Dadurch ergeben sich ungleiche Bedingungen für Familien und für das Aufwachsen von Kindern, die es auszugleichen gilt. Damit es jedes Kind packt.
Der Neunte Familienbericht sieht drei Punkte als zentral an, um Familien bei den täglichen Herausforderungen zu unterstützen:
Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, ist heute die größte Herausforderung für Familien. Eine gute Kinderbetreuung ist Voraussetzung dafür, dass Mütter und Väter beide arbeiten können. Mit dem Gute-KiTa-Gesetz unterstützt der Bund den Ausbau der Kindertagesbetreuung in den Bundesländern. Diese können selbst darüber entscheiden, wofür sie die bis 2022 zur Verfügung gestellten 5,5 Milliarden Euro des Bundes verwenden: für einen besseren Betreuungsschlüssel, neue Räume und Ausstattung, erweiterte Öffnungszeiten oder Entlastungen der Eltern bei den Kita-Gebühren. Die Sachverständigenkommission für den Familienbericht empfiehlt darüber hinaus den Ausbau ganztägiger Betreuungs- und Bildungsangebote für Grundschulkinder. Der für 2025 geplante Rechtsanspruch auf ein Ganztagsangebot für Grundschüler stellt dafür die Weichen.
Die Zeit in der Familie partnerschaftlich aufzuteilen, ist für viele Eltern noch immer eine Herausforderung. Viele Mütter möchten gerne in Vollzeit arbeiten oder ihre Teilzeit ausweiten. Auf der anderen Seite würden viele Väter gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Genau da setzen das Elterngeld und das ElterngeldPlus mit dem Partnerschaftsbonus an: Väter können mit der Elternzeit mehr Zeit mit der Familie verbringen und Mütter schneller wieder in ihren Beruf zurückkehren. Mit einer Reform des Elterngeldes wird die Flexibilität für Eltern ab September 2021 noch erhöht.
Die Sachverständigenkommission für den Familienbericht empfiehlt darüber hinaus, beim Elterngeld noch stärkere Anreize für eine partnerschaftliche Aufgabenteilung zu setzen, zum Beispiel durch ein dynamisiertes Elterngeld. Durch die weitverbreitete Aufteilung der Elternzeitmonate in zwölf + zwei Monate werden Kinder immer noch überwiegend von den Müttern betreut, während über 90 Prozent der Väter weiter Vollzeit arbeiten. Deshalb sieht die Sachverständigenkommission in der Betonung der Partnerschaftlichkeit bei der Kommunikation und dem Ausbau der exklusiven Elterngeldmonate (drei + acht + drei Monate) den nächsten wichtigen Schritt:
Der neue Vorschlag erleichtert Vätern den Weg in eine längere Elternzeit. Ziel ist, dass die exklusiven drei Elterngeldmonate Eltern die partnerschaftlichere Aufteilung erleichtern. Dabei lohnt sich die dynamisierte Aufteilung auch finanziell. Je gleichmäßiger die Eltern die Elterngeldmonate aufteilen, desto höher fällt die Lohnersatzleistung aus. Für Väter und Mütter, die sich weiterhin für die Aufteilung elf + drei entscheiden, entstehen aber keine Verschlechterungen.
Die Sachverständigenkommission setzt sich auch für eine Anhebung der Elterngeldbeträge ein: Seit der Einführung im Jahr 2007 hat sich hier nichts getan. Die Empfehlung ist, den Mindestbetrag von 300 Euro auf 360 Euro anzuheben. Der Höchstbetrag sollte von 1800 Euro auf 2016 Euro - analog zum Arbeitslosengeld - steigen. Diese Anpassung empfiehlt die Sachverständigenkommission auch für das ElterngeldPlus.
Damit alle Familien gleiche Chancen haben, ist ihre finanzielle und soziale Sicherheit wichtig. Für Eltern mit kleinem Einkommen muss finanzielle Unterstützung einfach zugänglich sein. Der Bund unterstützt Familien mit verschiedenen Leistungen, wie dem Elterngeld, dem Kindergeld, dem Kinderzuschlag, dem Bildungs- und Teilhabepaket oder dem Unterhaltsvorschuss. Das Elterngeld oder der Kinderzuschlag können bereits online beantragt werden. Die Sachverständigenkommission empfiehlt die Bündelung von Leistungen und den Abbau von Schnittstellen, damit noch mehr Familien zu ihrem Recht kommen.
Eltern sind immer für ihre Kinder da. Mütter und Väter geben ihr Bestes, ihren Kindern all das mit auf den Weg zu geben, was sie für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit, ihre sozialen Kompetenzen und eine solide Bildung brauchen. Aber auch Eltern brauchen manchmal Rat und Unterstützung. Weil sie nicht alles alleine meistern können und auch nicht müssen, unterstützt Familienbildung und -beratung genau da, wo Eltern Hilfe brauchen: bei schwierigen Erziehungssituationen, schulischen Problemen, dem Umgang mit digitalen Medien oder in Fragen zum Kinderrecht.
Eltern sind nicht allein. Sie teilen sich die Verantwortung für eine gute Entwicklung ihrer Kinder mit Kindertagesbetreuungen und Schulen. Der Familienbericht gibt Empfehlungen ab, um das Zusammenwirken zwischen Eltern und den Institutionen zu stärken. Durch ein gutes Zusammenspiel können vor allem Eltern mit Schulkindern entlastet werden.
Die Sachverständigenkommission setzt sich dafür ein, dass dieses Miteinander auf Augenhöhe ausgebaut wird. Vier Punkte sind dafür entscheidend:
Um diese Anforderungen umzusetzen, braucht es qualifizierte Pädagoginnen und Pädagogen sowie ausreichend Zeit. Entscheidend dabei ist die Unterstützung durch gemischte pädagogische Teams, die Lehrkräften helfen, gemeinsam mit Eltern und Kindern Probleme im Schulalltag und der Erziehung zu bewältigen. Das gilt nicht nur für schulische Leistungen, sondern für alle Lebenslagen, Bedürfnisse, Interessen und wichtigen Entscheidungen, beispielsweise für den weiteren Bildungsweg. Diese Teams bringen Zeit und unterschiedliche Qualifikationen mit, um sich um alle diese Bereiche zu kümmern: von Gesundheitsthemen über Medienpädagogik bis hin zu Schulpsychologie, Sozialarbeit, Elternarbeit oder Mentoring-Programmen. Diese umfassendere Unterstützung und Beratung, die über den gemeinsamen Austausch, über Zensuren und Leistungen hinausgeht, entlastet Eltern und Lehrkräfte.
Die Sachverständigenkommission des Neunten Familienberichtes empfiehlt, auch hier Hürden abzubauen, damit mehr Eltern von Beratungs- und Bildungsangeboten profitieren können: digital, mobil und direkt. Um es Eltern so leicht wie möglich zu machen, Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen, sollten sich diese Angebote vor Ort in den Schulen und Kitas befinden. Müttern und Vätern sind die Einrichtungen vertraut. Sie finden leichter und schneller den Weg zu wichtigen Informationen und zum Austausch über Entwicklung, Erziehung und möglicherweise Förderung ihrer Kinder.
Dieser Austausch kann mit den pädagogischen Teams erfolgen. Ausgebildete Elternbegleiterinnen und Elternbegleiter können Eltern helfen, die nötige Unterstützung für die Förderung und Erziehung ihrer Kinder zu finden. Die Empfehlung der Sachverständigenkommission schließt deshalb auch die Ausweitung des ESF-Programms "Elternchance II" auf Schulen mit ein. Auch in Familienzentren an Schulen sind Betreuung und Bildung mit den weiteren Angeboten für Familien unter einem Dach als direkter Anlaufpunkt für Eltern erreichbar. Sie sind damit aus Sicht der Sachverständigenkommission ein wichtiger Baustein, um die Bildungschancen der Kinder zu verbessern und Benachteiligung abzubauen. Trotz des großen Orientierungs- und Beratungsbedarfs gibt es diese Begleitung für Eltern von Schulkindern bisher selten. Dabei ist es besonders wichtig, dass Angebote für Eltern auch über die Zeit nach der Kita hinaus weitergedacht werden und für Eltern ebenso leicht zu erreichen sind.
Eltern in ihren Kompetenzen zu stärken, ist ein wichtiger Baustein der Familienpolitik. Programme wie "Elternchance II - Familien früh für Bildung gewinnen" mit mittlerweile 13.000 qualifizierten Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern unterstützen ganz gezielt Familien mit kleinem Einkommen oder Familien, die sich in besonderen Lebenslagen befinden. Die Bundesstiftung Frühe Hilfen fördert Netzwerke für frühe Hilfen und kümmert sich um die Unterstützung von werdenden und jungen Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern bis drei Jahre. Der Neunte Familienbericht empfiehlt, dass solche Hilfen auch für Eltern mit älteren Kindern und auf die Hilfe an Schulen ausgeweitet werden.
Mit Blick auf gleiche Bildungschancen knüpft die Sachverständigenkommission hier direkt an das Bundesprogramm "Elternchance ist Kinderchance" an. Denn Elternbegleitung bedeutet eine zusätzliche Entlastung für Eltern. Damit die Prävention und Bildungsberatung nicht nach der Kita-Zeit enden, sollte das Programm auch für Grundschulen im Rahmen eines neuen Programms "Elternchance III" erweitert werden. Auch Familienzentren an Schulen sind eine Empfehlung, die den Übergang von Kita in die Grundschule erleichtern. Denn gerade mit dem Schulstart entstehen für Eltern viele Fragen und der Beratungsbedarf nimmt zu. Lehrkräfte können durch Unterrichtszeiten nicht immer präsent sein beziehungsweise brauchen weitere Qualifizierungen und Zeit, um Beratungsleistungen zu erbringen. Familienzentren in Schulen sind ideale Anlaufstellen für Eltern, Schüler und auch Lehrerinnen und Lehrer, um gemeinsam den besten Weg für die Kinder zu finden.
Der Ausbau ganztägiger Betreuungs- und Bildungsangebote verbessert für Eltern die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt. Der Rechtsanspruch für Ganztagsbetreuung stellt dafür die richtigen Weichen. Die Betreuung an Ganztagsschulen bringt aber nicht nur eine zeitliche Entlastung für Eltern. Sie bietet auch Chancen auf eine bessere und chancengerechte Förderung aller Kinder und Jugendlichen. Zusätzliche Angebote helfen Kindern, sich nicht nur an Vormittagen Lernangeboten zu widmen. Die Sachverständigenkommission empfiehlt auch hier, auf entsprechende Qualifikation und Unterstützung zu setzen. Denn im Ganztag kommt es auf eine gute Qualität der Angebote an:
Familie ist heute vielfältiger und bunter als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Immer mehr Kinder wachsen nur bei einem Elternteil auf und auch die Zahl der Patchwork- und Regenbogenfamilien steigt. Und jede dritte Familie hat mindestens einen Elternteil mit einer Einwanderungsgeschichte. Die vielen Formen und Möglichkeiten, aus denen Elternschaft und Familie entstehen können, gehen über das klassische Bild von Vater, Mutter, Kind hinaus.
So bunt und vielfältig Familien in Deutschland auch sind, alle Eltern wollen dasselbe: Dass es ihren Kindern gut geht. Genau da will das Bundesfamilienministerium unterstützen.
Familien beschränken sich nicht mehr nur auf eheliche Partnerschaften oder auf nur einen Haushalt. Dennoch sind traditionelle Rollen und gesellschaftliche Normen noch fest verankert.
Die Vielfalt der Familienformen auch im Recht anzuerkennen, ist deshalb ein wichtiger Schritt. Im Mittelpunkt sollte die Frage stehen, was alle Familien brauchen - ganz egal, wie sie sich zusammensetzen. Die Sachverständigenkommission regt an, die Übernahme von Elternverantwortung innerhalb wie außerhalb der Ehe sowohl durch verschieden- als auch durch gleichgeschlechtliche Paare rechtlich voll anzuerkennen. Auch soziale Elternschaft sollte im Recht Beachtung finden.
Kinder in Familien mit Migrationshintergrund machen rund ein Drittel aller Kinder in Deutschland aus. 14 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund haben eine eigene Migrationserfahrung, das heißt, sie sind in einem anderen Land geboren. Für eine erfolgreiche Integration, von der alle profitieren, sind gute Startbedingungen und gleichberechtige Teilhabemöglichkeiten für Familien mit Migrationshintergrund besonders wichtig. Ein gutes Beispiel ist das Bundesprogramm "Sprach-Kitas", die bundesweit die sprachliche Bildung und Zusammenarbeit mit Familien in den Kitas fördern. Sie zeigen die Bedeutung einer guten Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen und Eltern. Denn Sprache ist ein Schlüssel zu Bildung und Freundschaften. Bereits jetzt ist jede zehnte Kita in Deutschland eine Sprach-Kita, das sind mehr als 6000. Der Bericht empfiehlt begleitende Elternarbeit im Hinblick auf Sprachförderung als zusätzliches Angebot.
Die Gesellschaft ist im Wandel. Vielfältige Familienkonstellationen, veränderte Rollenbilder, der Wunsch nach guter Kinderbetreuung und nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf prägen die Anforderungen an eine moderne Familienpolitik. Für das Bundesfamilienministerium stehen Kinder und ihre Bedürfnisse klar im Mittelpunkt - egal, in welcher Familie sie aufwachsen. Allen Eltern und Kindern in Deutschland soll es gut gehen.
Jeder Euro, den wir heute in die Förderung von Kindern und in gute Bedingungen für erwerbstätige Eltern investieren, ist gut angelegtes Geld. Nur durch die Investition in Familien und Kinder kann die "Vererbung" von Armut und Ungleichheit durchbrochen werden. Chancengleichheit für Kinder und Familien ist deshalb die zentrale Aufgabe für eine nachhaltige Familienpolitik.
"Eltern sein in Deutschland" - der Neunte Familienbericht bietet einen Überblick über die wichtigsten gesellschaftlichen Trends, die das Familienleben in Deutschland bestimmen und gibt Empfehlungen für eine wirksame Familienpolitik.
"Eltern sein in Deutschland“ - der Neunte Familienbericht bietet einen Überblick über die wichtigsten gesellschaftlichen Trends, die das Familienleben in Deutschland bestimmen und gibt Empfehlungen für eine wirksame Familienpolitik.