Es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen der BundesJugendKonferenz, liebe Gäste des Demokratiefestes zu 75 Jahren Grundgesetz, ich habe mich sehr darauf gefreut, Sie alle zum Abschluss der BundesJugendKonferenz und zum Jugendpolitischen Dialog hier im Tipi am Kanzleramt zu sehen. Toll, dass Sie gekommen sind! Und toll, dass hier und heute tatsächlich die Generationen zusammenkommen: Engagierte junge Menschen und interessierte Bürger und Bürgerinnen jeden Alters. Mir macht das richtig Mut! Denn das genau brauchen wir: Treffen. Reden. Fragen. Antworten. Zeit miteinander verbringen, zusammenhalten. Mir gibt das auch Zuversicht! Und genau über die Zuversicht möchte ich mit Ihnen und Euch heute sprechen. Weil wir alle Zuversicht brauchen - junge Menschen, mittelalte und ältere. Besonders in Krisenzeiten.
Kurze Frage: Wer war vorgestern beim Jugendpolitischen Empfang der BundesJugendKonferenz dabei? - Einmal bitte Hand heben! Vorgestern waren wir uns einig: Besonders die junge Generation braucht Zuversicht: Vor Euch liegt ein ganzes Leben!
Mit eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Chancen. Und der großen Frage: Was macht Ihr daraus? Wo findet Ihr Freundschaft und Liebe? Welche Ausbildung oder Berufe wählt Ihr? Wie erlebt Ihr Euch als Teil der Gesellschaft?
Mit Zuversicht fallen Antworten viel leichter. Und doch: Nicht nur junge Menschen brauchen Zuversicht. Wir alle brauchen den festen Glauben daran, dass eine gute Zukunft möglich ist. Ganz nüchtern können wir feststellen - sie macht sich rar, die Zuversicht. Junge Menschen - das zeigen aktuelle Erhebungen - machen sich viele Sorgen. Um Inflation. Kriege. Teure Mieten. Gesellschaftliche Spaltung. Klimakrise. Das sind die TOP 5 der 14- bis 29-jährigen. Sorgen, die widerspiegeln: Es ist schwierig für Euch, für Sie, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Es ist schwierig für Euch zu erleben, welchem Druck unsere Freiheit, unsere liberale Demokratie heute ausgesetzt sind. Von innen, durch Populismus und Rechtsextremismus. Von außen, durch Kriege und eine zunehmend instabile Weltordnung. Und global, durch die Klimakrise, die ein menschliches, menschenwürdiges, freies Leben gefährdet. Ich bin überzeugt: Jede und jeder hier hat ein eigenes Verständnis von diesen Sorgen. Und jede und jeder hat Verständnis für die Sorgen anderer hier - unabhängig, wie alt wir sind. Doch ob diese - unsere - Zeiten heute für Aufbruch der Endzeitstimmung stehen - das entscheiden wir gemeinsam! Ich halte deshalb nichts von Fatalismus - oder dem nostalgischen Blick zurück. Und erst recht nichts davon, die junge Generation als "Krisen-Generation" zu beschreiben. Das ist erstens wenig hilfreich - und stimmt zweitens nicht. Denn selbst wenn sich junge Menschen heute mehr Sorgen machen als noch vor Jahren: Sie - und gewiss Ihr hier - schaut immer noch optimistischer in die Zukunft als ältere. Zuversicht ist Teil der jugendlichen DNA! Und ich gestehe sofort: Die möchte ich aktivieren! Bei Ihnen und Euch Jungen. Und bei uns allen. Mir geht es dabei um drei Grundwerte: Um Vertrauen, Gerechtigkeit und ein Miteinander auf Augenhöhe. Beginnen wir mit Vertrauen: Vertrauen ist die Grundlage. Ohne Vertrauen kein Wohlwollen - und ohne Vertrauen und ohne Wohlwollen wird es schnell ungemütlich: In den letzten Wochen, Monaten und Jahren wurde viel darüber gesprochen, dass einige Menschen unserer Demokratie nicht mehr vertrauen. Wie kritisch sie die Bundesregierung sehen. In Umfragen heißt es über Euch, die Jugend: Fast zwei Drittel hätten den Eindruck, Politik würde ihre Sorgen nicht hören.
Aktuelle Zahlen zeigen: Sogar rechtspopulistische Aussagen verfangen bei der jungen Generation. Das macht mir Sorgen. Denn wir brauchen eine breite Allianz der Demokraten, die eine politische Kultur der Offenheit verteidigt. Der es um den Ausgleich geht zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Darum macht es wiederum zuversichtlich, dass zwei Drittel der Jugendlichen glauben: Die Demokratie wird sich gegen autoritäre Staatsformen durchsetzen.
Und: Fast die Hälfte engagiert sich gesellschaftlich oder politisch! Jeder zweite junge Mensch also zeigt Vertrauen ganz praktisch: und gestalten mit. Sie gehören dazu, liebe Teilnehmende der BundesJugendKonferenz! Beim Einsatz im Freiwilligendienst, bei der Feuerwehrjugend oder den Pfadfindern und Pfadfinderinnen, in Jugendparlamenten oder den Jugendorganisationen der Parteien.
In diesem Jahr hatten wir übrigens dreimal so viele Anmeldungen wie Plätze für die BundesJugendKonferenz. Dreimal mehr junge Menschen als angereist sind, wollten selbst aktiv sein, zeigen, was sie draufhaben, wofür sie einstehen. Das beste Mittel gegen gefühlte Ohnmacht! Das wissen Sie besser als ich - und das nährt die Zuversicht aller Engagierten. Darum wünsche ich mir von uns älteren und mittelalten Menschen: Tun auch wir, was wir können, um junge Menschen und ihr Engagement zu stärken. Schreiten wir ein, wenn junge Menschen und ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen werden. Oder lächerlich gemacht. Das erlebe ich bei Debatten um die sogenannte "Gen Z" häufig so. Leider. Stärken wir Betroffene, deren Kommentarspalten in den Sozialen Medien mit Hass und Hetze geflutet werden. Erwidern wir Vertrauen im politischen Streit. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Denn diese jungen Menschen haben das Recht, die Kraft und die Klugheit, mitzugestalten: Und das verdient unsere Solidarität! Wir Politikerinnen und Politiker sind natürlich besonders gefordert, Anlass zu Vertrauen zu geben. Indem wir Sorgen als echte Probleme ernst nehmen. Und uns von einem klaren Blick auf die Bedürfnisse junger Menschen und auch künftiger Generationen leiten lassen. Daran werde ich als Bundesjugendministerin meine Ressort-Kolleginnen und Kollegen immer wieder erinnern! Denn Politik für junge Menschen macht eben nicht die Jugendministerin allein. Sondern alle Ressorts.
Zuversicht braucht auch - zweiter Grundwert: Gerechtigkeit. Die treibende Kraft meiner Politik. Darum bin ich auch bei der Kindergrundsicherung so hartnäckig. Heute möchte ich unseren Blick vor allem auf die Generationengerechtigkeit lenken. Auch sie brauchen wir, um zuversichtlich in die Zukunft blicken zu können. Jetzt denken sich viele von Euch, von Ihnen, vielleicht: Wir verstehen uns zu Hause wunderbar - wo ist das Problem?
Zwischen Jüngeren und Älteren ist doch alles in Ordnung. Und das Gute ist: Das stimmt! Im Privaten verstehen sich junge und ältere Menschen vielleicht besser als je zuvor. Gleichzeitig bewerten junge Menschen das gesellschaftliche Verhältnis der Generationen sehr viel pessimistischer: Es gibt immer mehr Ältere - und immer weniger Junge. Logisch versursacht das Interessenkonflikte! Darum sage ich: Wir brauchen ein neues Verständnis von Generationengerechtigkeit! Was heißt das? Das heißt mehr als sich vorzunehmen, heute weniger Schulden zu machen, die Ihr - die jungen Generationen - abzahlen müsst. Meine Vorstellung von Generationengerechtigkeit sieht so aus: Lebensgrundlagen und Handlungsspielräume für alle sichern. Für ältere, jüngere und zukünftige Generationen. Stichwort: Klimaschutz jetzt. Nachteile für einzelne Generationen ausgleichen. Stichworte Kindergrundsicherung - und stabiles Rentensystem. Dafür sorgen, dass alle mitbestimmen können. Stichwort: Echte Jugendbeteiligung und Wahlalter 16. Damit Miteinander, Verständnis und echter Zusammenhalt entstehen. Damit unsere Zuversicht wachsen kann, Gegenwart und Zukunft gemeinsam bewältigen zu können. Das Bundesjugendkuratorium bestärkt mich darin: Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag, der diese Punkte aufgreift.
Liebe Anwesende, wir brauchen als dritten Grundwert: ein Miteinander auf Augenhöhe. Wir im Bundesjugendministerium wissen längst, wie wichtig es ist, junge Menschen anzuhören - sie zu beteiligen. Junge Menschen in all Ihrer Vielfalt! Und immer, wenn es sie betrifft. So wie es die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen bereits seit 1989 vorsieht! Darum unterstützen wir die Jugendverbände. Darum fördern wir Kinder- und Jugendparlamente. Darum stärken wir die Jugendbeteiligung in unseren Gremien. Etwa im Beirat der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz - von zwölf Mitgliedern sind zwei jünger als 18. Und darum habe ich den Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung ins Leben gerufen: Um junge Menschen stärker einzubeziehen. Zudem entwickeln wir die Jugendstrategie der Bundesregierung weiter. Gemeinsam mit Ihnen - weil es um Sie geht - arbeiten wir an Empfehlungen, wie Kinder- und Jugendbeteiligung gelingen kann. Diese Frage berührt natürlich nicht nur mein Haus, das Bundesjugendministerium. Sondern die ganze Bundesregierung. Im nächsten Jahr legen wir dem Kabinett unsere Empfehlungen zum Beschluss vor. Ich bin gespannt, mich mit Ihnen darüber auszutauschen: wie Ihre Ergebnisse und Empfehlungen frisch von der BundesJugendKonferenz ausfallen. Denn auch die fließen natürlich in unseren Aktionsplan ein. Sie sehen - Ihr seht: So also funktioniert Politik auch … Und: Demokratie braucht Engagement! Und am Anfang steht: wählen!
Kurze Frage: Wer ist 16 oder 17 Jahre alt und darf am 9. Juni zum ersten Mal wählen? Für diese EU-Parlamentswahlen in zwei Wochen haben wir das Wahlalter bereits auf 16 Jahre herabgesetzt. Denn Politik braucht Vertrauen in Zeiten von Krisen! Erst recht jetzt - weil es bei Wahlen um Ihre, um Eure Gegenwart und Zukunft geht. Erst recht jetzt - weil wir wissen, dass junge Menschen mit 16 genauso gute Wahlentscheidungen treffen wie mit 18. Hinter diesem Vorhaben können wir im Koalitionsvertrag einen Haken machen. Allerdings bleibt noch einiges zu tun in Sachen Augenhöhe. Denn um das Wahlalter auch für die Bundestagswahl zu senken, müssen wir das Grundgesetz ändern. Und eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zeichnet sich leider nicht ab.
Liebe Freunde und Freundinnen der Demokratie, Ihr habt viel vor, das habt Ihr in Berlin gezeigt. Merken Sie sich bitte schon einmal vor: In zwölf Monaten treffen wir uns zu den JugendPolitikTagen hier in Berlin. Und unmittelbar planen wir einen "Aktionsmonat Jugend": Ich würde mich freuen, wenn dann wieder viele von Ihnen und Euch teilnehmen! Die Interessen von Jugendlichen und junge Erwachsenen aktualisieren, präsentieren. Und gemeinsam auch werden wir dann dort die Ergebnisse des Nationalen Aktionsplans beraten. Einen Wunsch habe ich heute noch: Dass wir - möglichst viele von uns heute - wieder zusammenkommen, um das Grundgesetz zu feiern. Zu seinem 100. Geburtstag - im Jahr 2049. Dann bin ich 80 - und Ihr zwischen 40 und Anfang 50. Und zusammen hoffentlich noch immer so engagiert wie heute - und an der Seite der dann Jugendlichen … ? Ich bin auch da im Sinne der BundesJugendKonferenz heute: zuversichtlich!
Unser Grundgesetz jedenfalls hat in den vergangenen 75 Jahren gut gehalten und so einige Krisen bewältigt. Es ist sich - trotz fast 70 Änderungen - immer treu geblieben. Mit Vertrauen, Gerechtigkeit und Augenhöhe schaffen wir das auch in Zukunft Über alle Generationen hinweg. Danke, dass Sie alle heute hier sind! Ich freu mich auf Sie und die Ergebnisse der BundesJugendKonferenz.