Das Bundesfamilienministerium und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, haben 2016 gemeinsam mit vielen weiteren Partnerorganisationen die Bundesinitiative "Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" gestartet.
Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden und anderen Partnerinnen und Partnern setzt sich das Bundesfamilienministerium für gute Unterbringungsbedingungen in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften ein. Zu den weiteren Partnerinnen und Partnern zählen die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V., der Bundesweite Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V., der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, die Stiftung deutsches Forum für Kriminalprävention, das Deutsche Institut für Menschenrechte oder auch Save the Children Deutschland e.V. und Plan International Deutschland e.V.
Vulnerable Personen in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften schützen
Mit dem am 21. August 2019 in Kraft getretenen "Zweiten Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" wurden Regelungen zum Schutz vulnerabler Personen in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften eingeführt. Nach § 44 Absatz 2a Asylgesetz sollen die Länder "geeignete Maßnahmen treffen, um bei der Unterbringung Asylbegehrender nach Absatz 1 den Schutz von Frauen und schutzbedürftigen Personen zu gewährleisten". Nach § 53 Absatz 3 Asylgesetz gilt diese Verpflichtung auch bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften.
Bei § 44 Absatz 2a Asylgesetz handelt es sich um eine Verpflichtung der Länder zur Gewährleistung von Schutz für Frauen und vulnerable Personen bei der Unterbringung. Von dieser Verpflichtung können die Länder nur ausnahmsweise in atypischen Situationen absehen.
Schutzbedürftige Personen im Sinne der Norm sind ausweislich der Gesetzesbegründung "insbesondere Minderjährige, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, lesbische, schwule, bi-, trans- oder intersexuelle Personen, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie zum Beispiel Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, weiblicher Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung oder Opfer von Gewalt aufgrund von sexueller, geschlechtsbezogener, rassistischer oder religiöser Motive".
Mindeststandards entwickeln und etablieren
Im Rahmen der Initiative wurden 2016 erstmals bundesweit einheitliche "Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften" entwickelt, die in vierter, erheblich erweiterter Auflage (Stand April 2021) vorliegen - mitsamt Annexen zu lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender und intersexuellen (LSBTI*) Geflüchteten, geflüchteten Menschen mit Behinderungen und geflüchteten Menschen mit Traumafolgestörungen. Die Mindeststandards dienen als Leitlinien für die Erstellung, Umsetzung und das Monitoring von unterkunftsspezifischen Schutzkonzepten und unterstützen Länder und Kommunen bei ihren Verpflichtungen nach §§ 44 Abs. 2a, 53 AsylG. Zur Umsetzung der Mindeststandards werden fortlaufend praxistaugliche Tools, Handreichungen und Trainingshandbücher entwickelt sowie Workshops und Schulungen durchgeführt. Sämtliche Schulungsunterlagen und Praxistools sowie weitere Materialien und Informationen zu den Aktivitäten der Bundesinitiative werden online veröffentlicht.
Modellprojekte
Darüber hinaus fördert das Bundefamilienministerium in diesem Rahmen Modellvorhaben - unter anderem zur Unterstützung der Länder und Kommunen bei der Umsetzung ihrer Aufgaben rund um den Schutz von vulnerablen Personen in Unterkünften für Geflüchtete. So wurde beispielsweise über das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ein Gewaltschutzmonitoring-Tool erarbeitet, das an die spezifischen Rahmenbedingungen von sieben Bundesländern angepasst und in die Praxis übertragen wurde. Aktuell wird das Tool noch einmal effektiv überarbeitet sowie die Kooperationen mit den Bundesländern vertieft. Auf dieser Grundlage sind quantifizierende, vergleichende Aussagen über die Umsetzung des Gewaltschutzes in deutschen Unterkünften möglich.
Abschlussbericht analysierte die geförderten Maßnahmen
Die InterVal GmbH wurde damit beauftragt, eine Bestandsaufnahme der Maßnahmen vorzunehmen, die bisher vom Bundesfamilienministerium gefördert wurden, die Maßnahmen zu bewerten, ihre Wirkungen zu analysieren sowie aktuelle Bedarfe und Handlungsoptionen herauszuarbeiten. Der Abschlussbericht "Ergebnissicherung und Wirkungsanalyse der im Rahmen der Bundesinitiative 'Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften' vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Maßnahmen im Zeitraum von 2016 bis 2021" wurde Anfang 2023 vorgelegt und für die weitere Ausrichtung der Aktivitäten der
Bundesinitiative genutzt.
So hat die Ergebnissicherung und Wirkungsanalyse deutlich gemacht, dass eine Weiterentwicklung der Maßnahmen nötig sei, um sie an aktuelle Bedarfen auszurichten. Hierzu bietet sich der in den Mindeststandards bereits enthaltene Ansatz der Teilhabe an, mit denen Beteiligungsprozesse von Geflüchteten in der Unterbringung zur Förderung von Demokratieerleben und als Gewaltschutz durch Teilhabe mit Maßnahmen modellhaft erprobt werden sollen. So werden zukünftig die Ziele des Gewaltschutzes in der Geflüchtetenunterbringung mit Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Teilhabe durch das Bundesfamilienministerium sinnvoll verzahnt und stärker in den Fokus gerückt.
Aktualisierung der Ziele der Bundesinitiative
Die Partnerorganisationen der Bundesinitiative haben diesen Prozess zudem zum Anlass genommen, die Ziele der Bundesinitiative in einem kooperativen Prozess weiterzuentwickeln. Zu den vier bisherigen, aktualisierten Zielen kommt ein neues hinzu, das die Stärkung der Teilhabe von Geflüchteten und insbesondere vulnerablen Personengruppen in den Unterkünften für Geflüchtete vor Ort und im nahen Sozialraum in den Blick nimmt. Die ausführlichen Zielformulierungen finden sich auf dieser Website.
Servicestelle Gewaltschutz
Eine Servicestelle begleitet die Bundesinitiative und stellt durch Netzwerktreffen und Fachveranstaltungen die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch zwischen dem Bundesfamilienministerium und den beteiligten Partnerorganisationen sowie den für die Unterbringung und Versorgung zuständigen Landes- und kommunalen Behörden sicher.