Eine wesentliche Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es, Kinder und Jugendliche vor Gefährdungen zu schützen - sowohl präventiv durch Aufklärung über mögliche Gefährdungsquellen als auch durch entsprechende Interventionen, wenn eine Kindeswohlgefährdung bereits eingetreten ist. Oberste Handlungsmaxime ist immer das Wohl des Kindes.
Die bundesrechtliche Grundlage für die Kinder- und Jugendhilfe ist das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Eine ergänzende Gesetzgebung erfolgt durch die Länder. Die einzelnen Aufgaben werden in kommunaler Selbstverwaltung durch die Jugendämter in den Städten und Landkreisen umgesetzt.
Das SGB VIII enthält ein breites Spektrum von Leistungen für junge Menschen und ihre Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen.
Junge Menschen, Eltern, Personen- und Erziehungsberechtigte haben das Recht, sich zu den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe beraten zu lassen (§ 10a SGB VIII). Hierzu zählt unter anderem die Beratung zur persönlichen oder der Familiensituation, über die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, zu möglichen Auswirkungen und Folgen einer Hilfe und die Hinweise auf andere Beratungsangebote im Sozialraum (§ 10a Abs. 1 SGB VIII).
Zu den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII gehören:
Allgemeine Leistungen zur Förderung junger Menschen
Hierzu zählen unter anderem:
- Angebote und Einrichtungen im Rahmen der Jugendarbeit, die der Entwicklung junger Menschen förderlich sind, die an ihren Interessen anknüpfen, die sie zur Selbstbestimmung befähigen und zur gesellschaftlichen Mitverantwortung anregen, wie Jugendhäuser, Jugendkunstschulen, Jugendfreizeitstätten, Spiel- und Musikmobile Kinder- und Jugenderholungsmaßnahmen oder Projekte internationaler Jugendbegegnung (§ 11 SGB VIII),
- Jugendsozialarbeit, in deren Rahmen jungen Menschen die soziale Integration durch Angebote von schul-, berufs- und arbeitsweltbezogenen Hilfen erleichtert werden soll (§ 13 SGB VIII) und
- der erzieherische Kinder- und Jugendschutz, der vorbeugende Maßnahmen für Kinder, Jugendliche und Eltern bietet, um durch Information und Beratung Gefährdungen entgegenzuwirken (zum Beispiel Information, Aufklärung und Beratung zu Themen wie Sexualität, Aids, Drogen und Sucht, Sekten oder Neuen Medien).
Förderung der Erziehung in der Familie
Hierzu zählen unter anderem:
- Angebote der Familienbildung, der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen, der Familienfreizeit und -erholung sowie der Beratung und Hilfe für Mütter und Väter sowie für schwangere Frauen und werdende Väter in Fragen der Partnerschaft und des Ausbaus elterlicher Erziehungs- und Beziehungskompetenzen (§ 16 SGB VIII),
- Beratung in Fragen der Partnerschaft sowie zur Ausübung der elterlichen Sorge nach Trennung und Scheidung (§ 17 SGB VIII),
- Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts (§ 18 SGB VIII),
- Gemeinsame Wohnformen, in denen Mütter oder Väter zusammen mit ihrem Kind betreut werden, wenn sie allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben und aufgrund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bedürfen (§ 19 SGB VIII) und
- Betreuung und Versorgung des Kindes in Notsituationen, wenn ein Elternteil aus gesundheitlichen Gründen ausfällt, die Großeltern, andere Verwandte oder Freunde aber nicht einspringen können (§ 20 SGB VIII).
Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege
Das SGB VIII unterscheidet zwei Formen der Kindertagesbetreuung: Tageseinrichtungen (§ 22a SGB VIII) und Kindertagespflege (§ 23 SGB VIII). Beide Formen sind in einen umfassenden Förderauftrag einbezogen, der die Elemente "Erziehung, Bildung und Betreuung" umfasst und sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes bezieht (§ 22 SGB VIII).
Der Zugang zur Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege richtet sich nach Leistungsvoraussetzungen, die nach Altersgruppen differenziert sind (§ 24 SGB VIII):
- Für Kinder im Alter unter einem Jahr gilt eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe zur Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege, wenn ein gesetzlich anerkannter (Mindest-) Bedarf im Einzelfall festgestellt worden ist.
- Seit dem 1. August 2013 haben Kinder ab der Vollendung des ersten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege.
- Für Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt besteht ein Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung.
- Für das Schulalter gilt derzeit die objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebots. Ab August 2026 haben Grundschulkinder einen Anspruch auf ganztägige Förderung. Diese Regelung gilt ab August 2026 für alle Kinder, die in diesem Jahr eingeschult werden. In den Folgejahren wird die Regelung jeweils um eine Klassenstufe ausgeweitet. Ziel ist es, ab August 2029 für alle Kinder in den Klassenstufen eins bis vier ganztägige Förderung anbieten zu können.
Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung
Hilfe zur Erziehung umfasst ein breites Spektrum individueller pädagogischer und/oder therapeutischer Hilfen. Anspruch auf Hilfe zur Erziehung hat ein Personensorgeberechtigter, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.
Hierzu zählen unter anderem:
- Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII),
- Soziale Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII),
- Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer (§ 30 SGB VIII),
- Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII),
- Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIIII),
- Vollzeitpflege in einer anderen Familie (§ 33 SGB VIII)
- Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen (§ 34 SGB VIII),
- Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII),
- Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII).
Kinder und Jugendliche mit einer (drohenden) seelischen Behinderung haben gegenüber dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf Eingliederungshilfe (§ 35a SGB VIII). Für Kinder und Jugendliche mit einer (drohenden) körperlichen oder geistigen Behinderung ist hingegen der Träger der Eingliederungshilfe, Teil 2 des des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX), zuständig.
Wirksamkeit und Erfolg individueller pädagogischer Leistungen wie den Erziehungshilfen hängen in hohem Maß von der Akzeptanz und Mitwirkungsbereitschaft der Personensorgeberechtigten und der Kinder und Jugendlichen ab. Deshalb werden diese bei längerfristigen Hilfen in einem sogenannten Hilfeplanverfahren (§ 36 SGB VIII) an der Feststellung des individuellen Bedarfs sowie an der konkreten Entscheidung über die Art, Dauer, Ausgestaltung und Zielsetzung der Hilfe beteiligt.
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
Das Jugendamt ist verpflichtet, bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung gemeinsam mit Fachkräften das Gefährdungsrisiko einzuschätzen (§ 8a SGB VIII). Die Erziehungsberechtigten sowie das Kind werden in diese Einschätzung miteinbezogen, sofern dies nicht dem Kindeswohl zuwiderläuft. Den Erziehungsberechtigten werden Hilfen angeboten, wenn das Jugendamt zu der Entscheidung gelangt, dass die Hilfen zur Abwendung der Gefährdung notwendig oder geeignet sind.
Wenn das Jugendamt es für erforderlich hält, kann auf Benachrichtigung des Jugendamtes ein Familiengericht eingeschaltet werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Gefährdungseinschätzung mitzuwirken. Wenn eine dringende Gefahr für das Kind oder den Jugendlichen besteht und das Jugendamt die Entscheidung des Gerichts daher nicht abwarten kann, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.
Inobhutnahme eines Kindes oder Jugendlichen
Zur Inobhutnahme ist das Jugendamt in den folgenden Fällen berechtigt und verpflichtet.
- Wenn ein Kind oder Jugendlicher darum bittet (sogenannte "Selbstmelder" - § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII)
- Wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen diese Krisenintervention erfordert und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGV III).
Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, muss das Jugendamt unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten übergeben, sofern nach Einschätzung des Jugendamtes das Kindeswohls nicht gefährdet ist oder die Personensorgeberechtigten bereit und in der Lage sind eine Gefährdung abzuwenden (§ 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII).
Das Jugendamt muss das Familiengericht anrufen, wenn die Personen- oder Erziehungsberechtigten nicht bereit und in der Lage sind die Gefährdung abzuwenden (§ 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII). Das Familiengericht trifft dann die notwendigen sorgerechtlichen Maßnahmen im Anschluss an die Inobhutnahme (insbesondere Maßnahmen nach § 1666 BGB wie zum Beispiel die Verpflichtung der Eltern, bestimmte Hilfen in Anspruch zu nehmen, Entzug von Angelegenheiten der elterlichen Sorge und Übertragung auf einen Pfleger).
Das Familiengericht ist auch dann einzuschalten, wenn die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar sind (§ 42 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII).
Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.
Mitwirkung in familien- und kindschaftsrechtlichen Angelegenheiten sowie in Jugendgerichtsverfahren
Die Kinder und Jugendhilfe trägt dazu bei, dass die rechtlichen und materiellen Belange von Kindern und Jugendlichen vertreten werden und sie von günstigen Entwicklungsbedingungen profitieren. Dies geschieht unter anderem durch:
- die Beratung und Unterstützung bei der Vaterschaftsfeststellung und bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 52a SGB VIII)
- die Mitwirkung in Verfahren vor Familiengerichten (zum Beispiel bei der Regelung der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts, § 50 SGB VIII),
- die Führung von Beistandschaften, Amtspflegschaften und Vormundschaften, wenn hierfür Einzelpersonen nicht zur Verfügung stehen (§§ 55 ff. SGB VIII) und
- die Mitwirkung in Jugendstrafverfahren, mit denen Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender geahndet werden sollen (Jugendgerichtshilfe, § 52 SGB VIII).
Ansprechpersonen für alle Aufgabenbereiche der Kinder- und Jugendhilfe
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für alle Aufgabenbereiche der Kinder- und Jugendhilfe sind die örtlichen Jugendämter der Städte oder Landkreise. Sie müssen dafür sorgen, dass alle notwendigen und geeigneten Angebote zur Verfügung stehen beziehungsweise geschaffen werden. Dazu wird eine örtliche Jugendhilfeplanung erstellt (§ 80 SGB VIII). Zahlreiche Angebote werden aber auch von freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe (zum Beispiel Wohlfahrtsverbände, Vereine, Selbsthilfegruppen, Initiativen, privatgewerbliche Träger) durchgeführt. Die Leistungsberechtigten (Kinder, Jugendliche, Eltern und junge Erwachsene) haben das Recht, zwischen den verschiedenen Anbietern zu wählen (§ 5 SGB VIII).
Die Länder stellen sicher, dass sich junge Menschen und ihre Familien zur Beratung, zur Vermittlung und zur Klärung von konflikthaften Vorgängen im Zusammenhang mit den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe an eine Ombudsstelle wenden können (§ 9a SGB VIII). Die Ombudsstellen arbeiten unabhängig und sind nicht weisungsgebunden.
Welche Angebote die Kinder- und Jugendhilfe vor Ort anbietet, kann von interessierten und in der Jugendhilfe sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern beeinflusst werden. Zu diesem Zweck können sie sich in den Jugendhilfeausschuss der Stadt oder des Landkreises (§ 71 SGB VIII) wählen lassen.
Über weitere Details der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe sowie die angebotenen Hilfen informiert auch das Familienportal des Bundesfamilienministeriums.