Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG setzt die Aufnahme eines Mediums in die Liste jugendgefährdender Medien voraus, dass es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden. Nach Satz 2 erster Halbsatz des § 18 Abs. 1 JuSchG zählen dazu unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit oder Verbrechen anreizende Medien.
Für die Auslegung dieser Bestimmungen ist der Zweck des Jugendschutzes maßgebend. Ausgehend von der Annahme, dass Kinder und Jugendliche, das heißt Personen unter 18 Jahren (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 JuSchG), in ihrem Verhältnis zur Gemeinschaft und zur Rechtsordnung altersbedingt noch nicht gefestigt sind, sollen Regelungen des Jugendschutzes Gefährdungen der Persönlichkeitsentwicklung entgegenwirken. Sie sollen im Rahmen des Möglichen äußere Bedingungen für eine charakterliche Entwicklung von Minderjährigen schaffen, die zu Einstellungen und Verhaltensweisen führt, die sich an dem Menschenbild des Grundgesetzes orientieren. Dieses Ziel wird durch Medien gefährdet, die ein damit in Widerspruch stehendes Wertebild vermitteln, wenn zu besorgen ist, dass diese Medieninhalte Minderjährige beeinflussen, das heißt ihrer sozial-ethischen Desorientierung Vorschub leisten.
Nach dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG reicht die Eignung des Mediums zu einer derart bestimmten Jugendgefährdung aus. Sie ist anzunehmen, wenn die Inhalte des Mediums oder die Art und Weise seiner Darstellungen von dem Wertebild des Grundgesetzes derart abweichen, dass Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung hierfür empfänglicher Minderjähriger ernsthaft möglich erscheinen. Es muss gute Gründe für die Einschätzung geben, dass diese Minderjährigen Einstellungen und Verhaltensweisen entwickeln, die auch auf den sozial-ethisch desorientierenden Inhalt des Mediums zurückzuführen sind. Ob ein derartiger Wirkungszusammenhang nahe liegt, ist auf der Grundlage der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse zu beurteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die erforderlichen Wertungen nicht auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkungsmacht von Medien, insbesondere von Schriften, gestützt werden können; die bestehenden Ungewissheiten nimmt der Bundesgesetzgeber hin.
Ob ein Träger- oder Telemedium die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG erfüllt, bemisst sich nach dem Maßstab gefährdungsgeneigter, weil für die Inhalte des Mediums empfänglicher Minderjähriger. Dies sind Personen unter 18 Jahren, die aufgrund von Veranlagung, Geschlecht, Erziehung oder ihrer Lebensumstände Gefahr laufen, durch die inkriminierten Inhalte in sozial-ethische Verwirrung gestürzt zu werden. Die Gefährdungsneigung kann sich aus dem Heranwachsen in einem sozialen Milieu ergeben, das durch bestimmte Lebensverhältnisse oder Anschauungen charakterisiert ist. Andere Minderjährige bleiben bei der Beurteilung der jugendgefährdenden Wirkungen außer Betracht. Die Voraussetzungen für die Eignung eines Mediums zur sozial-ethischen Desorientierung gefährdungsgeneigter Minderjähriger werden durch die Regelbeispiele des § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG verdeutlicht. (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019 - BVerwG 6 C 18.18)
Nach der Rechtsprechung des BVerwG sind im Rahmen eines Indizierungsverfahrens in jedem Einzelfall nachfolgende Prüfschritte erforderlich:
1. Bestimmen des Aussagegehaltes des Mediums.
Dabei muss der gesamte Inhalt der darauf befindlichen Werke, bspw. deren Text, Bilder, Töne und ihr Zusammenwirken, einbezogen werden. Entscheidend ist eine wertende Gesamtbetrachtung der Inhalte.
2. Bestimmung des Personenkreises der gefährdungsgeneigten Jugendlichen.
Es gilt, typische Lebensumstände festzustellen, die einen im Wesentlichen gleichartigen Rahmen für das alltägliche Leben Minderjähriger bilden und sich von anders gelagerten Lebensumständen deutlich unterscheiden.
3. Aufzeigen einer wahrscheinlichen Wirkung des ermittelten Aussagegehalts des Medieninhalts auf gefährdungsgeneigte Jugendliche anhand der zu prüfenden Tatbestände der Jugendgefährdung.
4. Abwägung zwischen den grundgesetzlich geschützten Rechtsgütern Jugendschutz und den Grundrechten Dritter.
- 4.1 Ermittlung der Belange des Jugendschutzes durch Aufzeigen der im Einzelfall betroffenen sozial-ethischen Werte und damit verbundenen Entwicklungszielen.
- 4.2 Ermittlung der Belange der Kunstfreiheit oder anderer grundrechtlich geschützter Bereiche.
- 4.3 Herbeiführen einer Vorrangentscheidung durch Abwägung.
Die aufgezeigten Grundlagen und Voraussetzungen einer Indizierung machen deutlich, dass eine Indizierung keinesfalls auf eine reine Wortanalyse gestützt werden kann. Worte wie „Neger“, „Zigeunerin“ oder „Bitch“ stehen nicht für sich, sondern haben einen konkreten, möglicherweise auch divergierenden Aussagegehalt, der unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes in jedem Einzelfall zu ermitteln ist.
Über das Spannungsfeld zwischen diskriminierungsfreier Sprache, Werktreue und die Bedeutung des Jugendschutzes finden Sie hier einen weiterführenden Beitrag.