Über die in § 18 Abs. 1 S.2 JuSchG gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus gibt es auch andere Konstellationen von Medieninhalten, welche geeignet sein können, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu gefährden. Die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien hat in ihrer Spruchpraxis mehrere weitere, nicht gesetzlich geregelte Fallgruppen der Jugendgefährdung entwickelt, welche von der Rechtsprechung - soweit sie hierzu Stellung genommen hat - bestätigt worden sind. Diese sind nachfolgend mit weiterführenden Informationen aufgeführt:
Die Menschenwürde verletzende Medien
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, welche gegen die Menschenwürde verstoßen. Dies wurde von der Rechtsprechung bestätigt (zum Beispiel VG Köln, Urteil vom 16.11.2007 - 27 K 1764/07).
Für die weitere Konkretisierung des Begriffs der Menschenwürdeverletzung wird nach der Spruchpraxis der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien die vom BVerfG verwandte Formel der Objektsdegradierung herangezogen (siehe BVerfGE 30, 1, 25; 45, 187; 64, 135, 145). Ein Hauptanwendungsbereich sind im Bereich des Horrorgenres dargestellte Verstümmelungen von Menschen, Kannibalismus, Folterszenen, Herausquellen von Gedärmen und die sonst genüsslich, verharrend fokussierte Darstellung unmenschlicher, "entpersönlichender" Massakrierung eines Menschen; daneben auch die mediale Zusammenstellung von Abbildungen extrem entstellter menschlicher Leichen zu einem "Horrorkabinett", welches zugunsten eines unterstellten "kalten und mitleidlosen Voyeurismus visuell ausgeschlachtet" wird. Weiterhin kann in der medialen Darstellung (fiktiver) Folterungen von Personen, "Treibjagden" auf Menschen, "Kannibalismus" sowie die Verknüpfung von Sexualität und Erniedrigung oder handfester Gewalt im Einzelfall eine Menschenwürdeverletzung gesehen werden, die eine Indizierung zur Folge hat.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bestimmte Formen der medialen Menschenwürdeverletzung als "schwer jugendgefährdend" einstuft und mit dem Tatbestand des § 15 Abs. 2 Nr. 3a JuSchG auch dann den Verbreitungs- und Werbebeschränkungen für Trägermedien unterwirft, wenn die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien (noch) keine Indizierung vorgenommen hat. Dies betrifft Trägermedien, welche "Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt". Informationen zu diesem Spezialtatbestand schwerer Jugendgefährdung aufgrund einer Menschenwürdeverletzung finden sie hier.
Für Telemedien und Rundfunkangebote gilt unabhängig von einer etwaigen Indizierung ein spezielles Absolutverbot menschenwürdeverletzender Angebote nach dem Unzulässigkeitstatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 JMStV.
Diskriminierung von Menschengruppen
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, welche Menschengruppen diskriminieren.
Unter Diskriminierung wird die Benachteiligung von einzelnen Menschen oder Gruppen (zumeist Minderheiten) aufgrund von Merkmalen wie soziale Gewohnheit, sexuelle Neigung oder Orientierung, Sprache, Geschlecht, Behinderung oder äußerlichen Merkmalen verstanden. Sie steht dem Grundsatz der Gleichheit der Rechte aller Menschen entgegen.
Beispielsweise sind Darstellungen nach der Spruchpraxis jugendgefährdend, welche die Diskriminierung von homosexuellen, extrem übergewichtigen, kleinwüchsigen oder behinderten Menschen zum Inhalt haben.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bestimmte schwere Formen der Diskriminierung als "schwer jugendgefährdend" einstuft und mit dem Tatbestand des § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG auch dann den Verbreitungs- und Werbebeschränkungen für Trägermedien unterwirft, wenn die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien (noch) keine Indizierung vorgenommen hat. Dies betrifft Trägermedien, welche den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB erfüllen. Informationen zu diesem Spezialtatbestand, der zugleich ein absolutes strafrechtliches Verbreitungsverbot begründet, finden Sie auf der Unterseite "Schwere Jugendgefährdung" und dort unter "Strafrechtlich relevante Trägermedien".
Für Telemedien und Rundfunkangebote gilt für volksverhetzende Angebote ein spezielles Absolutverbot nach dem Unzulässigkeitstatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 JMStV.
Verherrlichung des Nationalsozialismus
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, welche die totalitäre NS-Ideologie aufwerten, rehabilitieren oder verharmlosen, da das verfassungsrechtlich bedeutsame Interesse an einer ungestörten Entwicklung der Jugend unter anderem darauf gerichtet ist, Rassenhass, Kriegslüsternheit und Demokratiefeindlichkeit nicht aufkommen zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 10.9.2007, Az. 1 BvR 1584/07, siehe auch BVerfG NJW 1994, 1781, 1783; BVerfGE 30, 336, 347 ff.). Die Verherrlichung, Rehabilitierung oder Verharmlosung der NS-Ideologie in einem Trägermedium kann daher bei Jugendlichen zu einer "sozialethischen Verwirrung” u.a. in dem Sinne führen, dass "in einer unterschwelligen Beeinflussung von Jugendlichen ein nationalsozialistisch geprägtes Weltbild" begründet oder verfestigt wird, das auch eine "darauf bezogene Gewaltneigung fördern" kann (BVerfG, Beschluss vom 10.9.2007, Az. 1 BvR 1584/07).
Jugendgefährdende Propagierung der NS-Ideologie liegt nach der Spruchpraxis der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien insbesondere vor, wenn für den Nationalsozialismus, dessen Rassenlehre, autoritäres Führerprinzip, Volkserziehungsprogramm, Kriegsbereitschaft und Kriegsführung geworben wird. Ferner wenn das NS-Regime durch verfälschte oder unvollständige Informationen aufgewertet und rehabilitiert werden soll, insbesondere wenn Adolf Hitler und seine Parteigenossen als Vorbilder (oder tragische Helden) hingestellt werden. Eine jugendgefährdende NS-Verherrlichung liegt auch dann vor, wenn Medien das Bekenntnis zum demokratischen Rechtssaat als Glied der Völkergemeinschaft, zur Völkerverständigung unter Einschluss gerade auch der Aussöhnung des deutschen Volkes mit den früheren Kriegsgegnern in Frage stellen (OVG Münster, Urt. v. 29.11.1966). Ferner, wenn diese Medien die grundlegenden Wert- und Zielvorstellungen unserer Verfassung, die insbesondere in der Präambel und Art. 1 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 25 und 26 GG Ausdruck gefunden haben und vorgegebene Wertordnungen sowie internationale Verpflichtungen in Frage stellen (OVG Münster, Urt. v. 29.11.1966).
Bedient sich das Medium zur Aufwertung oder Rehabilitierung nationalsozialistischen Gedankenguts des Mittels der Geschichtsklitterung bzw. -verfälschung, kann hierin ohne weiteres eine – mit Blick auf die Grundnormen der Verfassung – sozial-ethische Desorientierung gesehen werden (BVerwG NJW 1987, 1431 ff.; s.a. Entscheidung Nr. 5679 vom 05.11.2009; bestätigt durch VG Köln, Urt. v. 11.5.2012, Az. 19 K 140/10).
Ebenso ist im Falle der Glorifizierung des "Führers" Adolf Hitler oder anderer NS-Angehöriger in Führungsposition wie Rudolph Heß nach allgemeiner Meinung von einer sozial-ethischen Desorientierung im Sinne einer Jugendgefährdung auszugehen. Dem entspricht es, wenn diese Personen als Vorbilder (oder tragische Helden) hingestellt werden. Insoweit wird in der Regel bereits eine Volksverhetzung in Form der Legitimation der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft nach § 130 Abs. 4 StGB als Fall einer schweren Jugendgefährdung gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG einschlägig sein, wenn man mit dem BVerfG davon ausgeht, dass bei gutheißenden Äußerungen in Bezug auf die NS- Gewalt- und Willkürherrschaft das Vorliegen einer Störung des öffentlichen Friedens grundsätzlich "zu vermuten" ist (BVerfG, Beschluss vom 4.11.2009, Az. 1 BvR 2150/08).
Verherrlichung von Drogenkonsum
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, welche den Drogenkonsum propagieren, verherrlichen oder verharmlosen. Dies wurde von der Rechtsprechung bestätigt (VG Köln, Urteil vom 17.2.2006, Az. 27 K 6557/05).
Nach Einschätzung des 12er-Gremiums der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien liegt ein Verherrlichen oder Verharmlosen von Drogen vor, wenn die angeblich positiven Wirkungen des Drogenkonsums auf die Erfahrungswelt von Jugendlichen herausgestellt werden und gleichzeitig, die damit verbundenen negativen Folgen, wie zum Beispiel Gesundheitsschäden durch Abhängigkeit (siehe auch allgemein zur Nahelegung selbstschädigenden Verhaltens), bewusst oder unbewusst ausgeblendet werden. Hinreichend ist bereits die Förderung der bloßen Konsumbereitschaft von Kindern und Jugendlichen, so dass auch Anleitungen zum Anbau, zu sonstiger Herstellung in Verbindung mit der Aufforderung zum Gebrauch von Cannabinoiden den Indizierungstatbestand erfüllen können.
Verherrlichung von exzessivem Alkoholkonsum
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, welche exzessiven Alkoholkonsum propagieren, verherrlichen oder verharmlosen. Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen hat der Gesetzgeber umfassende Abgabe- und Werbebeschränkungen für Alkoholika erlassen. Diese Verbote werden durch Medien konterkariert, in denen Kinder und Jugendliche zu maßlosem Alkoholkonsum aufgefordert werden und ihnen suggeriert wird, dass ihr Leben nur bei exzessivem Alkoholkonsum erträglich sei und/oder allein dieser Lebensglück verheiße.
Medien, die dazu aufrufen, exzessiv Alkohol zu konsumieren, können die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit in extremstem Maße gefährden (siehe auch allgemein zur Nahelegung selbstschädigenden Verhaltens), insbesondere wenn darin durchgängig propagiert wird, dass das Leben nur unter dem Einfluss von mehreren Litern schön sei und dass man nur dann "gut in Form" sei, wenn man eine entsprechende Alkoholmenge zu sich genommen habe.
Im Hinblick auf eine Entwicklungsgefährdung nimmt die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien an, dass Entwicklungsziel nur sein kann, Minderjährigen eine Vorstellung darüber zu vermitteln, wann sie Drogen missbräuchlich einsetzen. Neben der Mündigkeit ist daher die Entwicklung eines Missbrauchsbewusstseins insbesondere gegenüber Alltagsdrogen ein wichtiges "Erziehungsziel". Die Verherrlichung exzessiven Alkoholkonsums und das Suggerieren, dass dieser als einziger zum Lebensglück führen werde, kann demgegenüber vorhandene Hemmschwellen, die durch Erziehung und Aufklärung seitens der Eltern oder anderer Erziehungsberechtigter aufgebaut wurden, überwinden helfen oder diese zumindest herabsetzen, was im Sinne des Jugendmedienschutzes verhindert werden muss.
Nahelegen von selbstschädigendem Verhalten
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, in denen selbstschädigendes Verhalten nahegelegt wird. Insbesondere kann das Propagieren des Selbstmordes oder auch die bloße (technische) Anleitung zum Suizid in Medien zu deren Indizierung führen, sofern sie ihrem Inhalt nach geeignet sind, falsche Vorstellungen bei Kindern oder Jugendlichen über den Wert des eigenen Lebens hervorzurufen oder zu bestärken.
Zu der Fallgruppe der Propagierung selbstzerstörerischen Verhaltens gehört auch die von der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien vorgenommene Indizierung von so genannten "Magersucht-Foren", in denen Anorexie als positiv und nachahmenswert dargestellt wird. Erfasst sind daher auch Blogs im Internet, in denen Anorexie bzw. Magersucht (Anorexia nervosa) in Gedichten, so genannten "Glaubensbekenntnissen", Handlungsanweisungen und "Motivationsverträgen" extrem positiv dargestellt und glorifiziert wird.
Einer Indizierung steht auch nicht der Einwand entgegen, dass körperliche bzw. gesundheitliche Gefährdungen, wie sie etwa mit Anorexie einhergehen, nicht vom auf Medieninhalte fokussierten Indizierungstatbestand erfasst seien. Insoweit trifft lediglich im Ausgangspunkt zu, dass unmittelbare negative körperliche Begleiterscheinungen des allgemeinen Medienkonsums wie etwa Rückenschmerzen, Muskelschwund oder Nervenüberreizungen evident keine Jugendgefährdung im Sinne des § 18 Abs. 1 JuSchG darstellen können, da hier die zu besorgende Schädigung oder Gefährdung nicht in einer Einflussnahme des Mediums auf die minderjährigen Rezipierende nach seinem konkreten Inhalt die maßgebliche Ursache findet. Anders gelagert sind aber solche Konstellationen, in denen gerade die Medieninhalte nach ihrem Aussagegehalt und ihren Botschaften geeignet sein können, Einstellungen und Wertebilder bei Kindern und Jugendlichen derart negativ zu beeinflussen, dass diese in eine entsprechende Abänderung ihrer Verhaltensweisen münden können, mit denen wiederum regelmäßig schädigende Auswirkungen auf die minderjährige Person selbst oder andere einhergehen.
Gefährdung der persönlichen Integrität
Mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes am 1. Mai 2021 können im Rahmen der Indizierungsentscheidungen auch Gefahren für die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen bei der Mediennutzung berücksichtigt werden. Von Medien ausgehende Gefährdungen der persönlichen Integrität von Kindern und Jugendlichen können in einer sehr starken Ausprägung auch ihre Entwicklung oder Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefährden und demnach jugendgefährdend im Sinne des Gesetzes sein.
Spruchpraxis hierzu besteht noch nicht.
Gefährdung der Demokratiefähigkeit / Demokratiefeindlichkeit
Über die gesetzlich genannten Jugendgefährdungstatbestände hinaus indiziert die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien nach ihrer Spruchpraxis auch solche Medien, welche die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen gefährden bzw. Demokratiefeindlichkeit fördern.
Das verfassungsrechtlich bedeutsame Interesse an einer ungestörten Entwicklung der Jugend ist unter anderem darauf gerichtet, Demokratiefeindlichkeit nicht aufkommen zu lassen (vgl. BVerfGE 30, 336, 347, 350; BVerfGE 90, 1, Rn. 69.). Von einer Gefährdung der Demokratiefähigkeit bis hin zur Förderung von Demokratiefeindlichkeit kann dann ausgegangen werden, wenn — unabhängig von der politischen Ausrichtung eines Mediums — die dem Demokratieprinzip inhärenten Werte und Regeln in Frage gestellt werden und das Demokratieprinzip als Staatsstrukturprinzip delegitimiert wird. Bei der Abgrenzung von Demokratiekritik zu sozial-ethisch desorientierender Demokratiefeindlichkeit kommt es in den durch die Prüfstelle zu bewertenden Einzelfällen darauf an, inwieweit bei gefährdungsgeneigten Kindern und Jugendlichen eine nachhaltige Verunsicherung über bzw. Abkehr von mit der Demokratie verknüpften Grundprinzipien, Einstellungen und Fähigkeiten zu besorgen ist und somit die Erziehungs- und Entwicklungsziele der Eigenverantwortlichkeit und Gemeinschaftsfähigkeit gefährdet werden. Anhaltspunkte dafür, wann eine solche Gefährdung anzunehmen ist, lassen sich unter anderem aus der Rechtsprechung zur verfassungsschutzrechtlichen Einstufung von Parteien herleiten.
Medieninhalte, die geeignet sein können, bei gefährdungsgeneigten Jugendlichen Demokratiefeindlichkeit und Haltungen hervorzurufen, die mit den im Demokratieprinzip angelegten Werten und Regeln nicht vereinbar sind, können beispielsweise Aussagen oder Darstellungen sein, die durch gefährdungsgeneigte Jugendliche wahrnehmbar sind als:
- Delegitimierung der staatlichen Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (z. B. systemische Verächtlichmachung demokratischer Parteien und Politikerinnen und Politiker; Diskreditieren demokratisch-parlamentarischer Wahlen durch Aussagen wie z. B. sie führten zu Unrechtsregimen) bis hin zur Legitimierung revolutionärer Bestrebungen (etwa Gleichstellung der BRD mit der DDR und anschließende Schlussfolgerung des vermeintlich erforderlichen Umsturzes des Systems),
- Legitimierung staatlicher Gewalt auf der Grundlage eines von Diskriminierung geprägten Volksverständnisses (z. B. Verständnis von Volkszugehörigkeit, welches den Ausschluss bestimmter Bevölkerungsteile aus dem Staatsvolk beinhaltet und diesen in der Folge entgegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) Rechte abspricht),
- demokratischen Werten und Regeln entgegenstehendes Verständnis vom Umgang mit politischen Gegnerinnen und Gegnern (z. B. extrem dualistische Freund-Feind-Zeichnung; aggressiv-feindselige Haltung gegenüber Mitgliedern der Outgroup, die suggeriert, dass (anlasslose) Angriffe auf diese durch Notwehr gerechtfertigt seien; Radikalisierung der Sprache bzgl. Umgang mit politischen Gegnerinnen und Gegnern bis hin zur kategorischen Ablehnung des Diskurses als möglichen Lösungsweg),
- systemisch begründete Ablehnung von Kompromissbereitschaft im Rahmen parlamentarischer Arbeit (z. B. Darstellung einer Alleinregierung einer Partei als einzige Möglichkeit für eine konsequente Regierung; Ablehnung von Konsensfindung und Förderung der Bereitschaft zu intoleranten, kompromisslosen Durchsetzungsmethoden unter Außerachtlassung der Interessen Dritter),
- positive Kontextualisierung des Faschismus bezüglich der Organisation politischer Willensbildung und Ausübung staatlicher Gewalt (z. B. Verharmlosung des Faschismus mit Blick auf Meinungsfreiheit, politische Teilhabe und Toleranz gegenüber Andersdenkenden; Vorschlag des Ablösens der Demokratie durch absolutistische Monarchie oder Diktatur – Anleitung des Volks nach dem Vorbild eines Führerprinzips).
Vertiefende Ausführungen finden sich im Beitrag „Sozialethische Desorientierung und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes“, abgedruckt in der BzKJAKTUELL 2/2023, S. 24 ff.