BzKJAKTUELL 3/2024 Anbieterpflichten in Europa durchsetzen: Kinderrechte in digitalen Diensten im Fokus

Mit Inkrafttreten des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG), das den europäischen Digital Services Act (DSA) in Deutschland umsetzt und Zuständigkeiten festlegt, hat die organisatorisch bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) eingerichtete „Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten“ (KidD) ihre Arbeit aufgenommen.

Die Beiträge der vorliegenden BzKJAKTUELL bieten Erläuterungen zu den Aufgaben und der Arbeitsweise der KidD. Im Juni hat die KidD zudem ihre Website freigeschaltet, unter www.kidd.bund.de stehen weitere Informationen bereit. Am 19. September veranstaltet die BzKJ außerdem eine Fachtagung in Berlin, um die Arbeit der KidD im nationalen und internationalen Kontext zu beleuchten.

Sebastian Gutknecht, Direktor der BzKJ:

„Es ist etwas Wichtiges passiert im Kinder- und Jugendmedienschutz, was den Blick aufs Grundsätzliche und die Möglichkeiten der Zukunft lenkt. Die bei der BzKJ eingerichtete KidD agiert in einem neuen kinderrechtlichen System, welches nunmehr die Durchsetzung von strukturellen Schutzmaßnahmen in digitalen Diensten europäisch regelt.“

Nachgefragt: Michael Terhörst im Interview

Im ersten Schwerpunktbeitrag „Online-Plattformen sicherer machen: Die ‚KidD‘ und ihr Einsatz für Kinder und Jugendliche“ berichtet Michael Terhörst, seit dem 1. Juli 2024 Leiter der KidD, über die Ziele und Aufgaben der neuen Stelle. Hauptziel ist es, die Rechte von Kindern im digitalen Raum zu schützen und zu fördern. Die KidD setzt sich dafür ein, dass digitale Dienste sicherer und kinderfreundlich gestaltet sind und strukturelle Vorsorgemaßnahmen implementiert werden, um Kinder und Jugendliche vor Risiken wie Cybergrooming und exzessiver Mediennutzung zu schützen.

Terhörst erläutert, dass die KidD in drei Hauptbereichen tätig ist: 1. Durchsetzung struktureller Vorsorgemaßnahmen, 2. Überwachung der Bereitstellung kindgerechter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) und 3. Aufsicht über die Einhaltung der Bestimmungen zur Verwendung von Alterskennzeichen bei Film- und Spielplattformen.

Kinderrechte im digitalen Raum schützen

Der zweite Schwerpunktbeitrag „Rechte von Kindern im digitalen Raum schützen“ befasst sich mit den Chancen und Risiken digitaler Umgebungen für Kinder und Jugendliche. Digitale Medien spielen eine immer größere Rolle im Leben junger Menschen, sowohl im privaten als auch im schulischen und freizeitlichen Kontext. Gleichzeitig bergen sie zahlreiche Risiken, darunter pädophil motivierte Missbrauchsanbahnungen, Cybermobbing und die Konfrontation mit unangemessenen Inhalten.

Ein zentraler Ansatzpunkt für den Schutz von Kindern im digitalen Raum sind die Kinderrechte, wie sie in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen festgelegt sind. Diese Rechte bilden die Grundlage für einen zeitgemäßen Kinder- und Jugendmedienschutz und müssen kontinuierlich an die dynamischen Entwicklungen im digitalen Raum angepasst werden. Der Beitrag unterstreicht die Bedeutung eines in sich stimmigen kinderrechtlichen Dreiecks aus Schutz, Befähigung und Teilhabe auch im digitalen Raum. Die Wahrung der Kinderrechte durch die Schaffung einer möglichst sicheren und bereichernden Online-Umgebung für Kinder und Jugendliche ist dabei ein wichtiges politisches Kernziel des DSA und folglich auch der KidD.

Aufsichtsverfahren der KidD

Der Beitrag in der Rubrik „Wissenswert“ beschreibt den Ablauf des Aufsichtsverfahrens der KidD. Die Stelle überwacht die Einhaltung von Anbieterpflichten nach dem DSA und initiiert Aufsichtsverfahren sowohl durch Meldungen als auch durch eigenes Monitoring. Im Falle eines Verstoßes gegen die gesetzlichen Pflichten werden Anbieter zur Stellungnahme aufgefordert und gegebenenfalls beraten. Sollte keine Einigung erzielt werden, kann die KidD Anordnungen erlassen und Bußgelder verhängen.

Das Monitoringsystem der KidD sammelt relevante Informationen aus der gesamten Anbieterlandschaft, unterstützt durch ein Netzwerk von Partnerorganisationen. Ziel ist es, die Kinderrechte im digitalen Umfeld bestmöglich durchzusetzen und strukturelle Anpassungen bei Anbietern zu erreichen. Die KidD legt dabei großen Wert auf eine dialogische Regulierung, um nachhaltige Lösungen im Sinne des Kinder- und Jugendmedienschutzes zu finden.

Spruchpraxis: Rechtmäßigkeit der Indizierung einer Online-Broschüre und Feststellung fehlender Inhaltsgleichheit

Die Rubrik „Spruchpraxis“ informiert wie üblich über aktuelle Entwicklungen und Fälle der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien. Der erste Spruchpraxis-Beitrag zeigt einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (OVG NRW). Das OVG NRW bestätigte die Rechtmäßigkeit der Indizierung einer Online-Broschüre, die Kinder, die sich ihrem Geschlecht nicht zugehörig fühlen, pathologisiert und als einem negativ konnotierten und sektenähnlichen „Transgenderkult“ verfallen darstellt. Die Prüfstelle hatte die Broschüre als jugendgefährdend eingestuft und in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen.

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Jugendschutzes gegenüber kontroversen gesellschaftlichen Debatten. Die Prüfstelle führte aus, dass die Broschüre geeignet sei, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu gefährden, indem sie trans*Personen diskriminiere und verrohende Inhalte verbreite. Das OVG NRW bestätigte diese Einschätzung und hob hervor, dass der Jugendschutz Vorrang vor der Meinungsfreiheit der Verfasserin habe.

Der zweite Spruchpraxis-Beitrag beschäftigt sich mit Verfahren der Prüfstelle zur Feststellung der fehlenden Inhaltsgleichheit. Dabei haben der Urheber/die Urheberin beziehungsweise der Rechteinhaber/die Rechteinhaberin die Möglichkeit, eine erneute Prüfung eines indizierten Mediums durch die Prüfstelle zu beantragen, mit dem Ziel der Feststellung der fehlenden Inhaltsgleichheit. Diese Verfahrensart ist beispielsweise relevant für die Überprüfung gekürzter Filmfassungen von ursprünglich indizierten Filmen. Hintergrund ist, dass die Indizierungsfolgen nicht nur die indizierten Trägermedien selbst betreffen, sondern auch alle mit diesen ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleichen Trägermedien.

ZUKUNFTSWERKSTATT: Jugendliche Beiratsmitglieder für nächste Amtsperiode gesucht und Beteiligung im „Bündnis gegen sexuelle Gewalt im Netz“

Der Beitrag in der Rubrik „ZUKUNFTSWERKSTATT“ macht auf die bevorstehende Bewerbungsausschreibung für Jugendliche zur zweiten Amtsperiode des Beirats der BzKJ ab März 2025 aufmerksam. Dem Beirat gehören mindestens zwei Jugendliche an, die die Perspektive und Interessen ihrer Generation im Austausch vertreten. Die BzKJ ist die erste Bundesoberbehörde, die eine gesetzlich verankerte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in ihrem Beirat umsetzt.

Im Weiteren stellt der Beitrag die aktive Beteiligung der BzKJ im „Bündnis gegen sexuelle Gewalt im Netz“ vor, einer Kooperation mit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM). Ziel des Bündnisses ist es, die Arbeit des Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen im digitalen Bereich zu stärken. Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit sollen zukunftsfähige Lösungen für den Schutz vor digitaler sexueller Gewalt entwickelt werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Einbindung junger Internetnutzenden in den Diskurs. Die Erkenntnisse fließen in die fortlaufende Arbeit der ZUKUNFTSWERKSTATT ein, um den digitalen Kinder- und Jugendmedienschutz kontinuierlich zu verbessern.

Die redaktionellen Beiträge der BzKJAKTUELL 3/2024 finden Sie im Servicebereich auf der Website der BzKJ.

Privatpersonen können Einzelhefte sowie ein Jahresabonnement der BzKJAKTUELL als Print- und/oder als Digitalausgabe erwerben. Weitere Informationen zur Fachzeitschrift und zu den Bezugsmöglichkeiten stehen ebenfalls im Servicebereich auf der Website der BzKJ zur Verfügung.

Über die BzKJAKTUELL

Die Fachzeitschrift BzKJAKTUELL wird von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) herausgegeben. Sie enthält den öffentlichen Listenteil der aktuellen Indizierungen von Filmwerken, Spielen, Schriftwerken, Tonwerken und Multimediawerken. Im redaktionellen Teil bietet sie mit Fachbeiträgen aus Praxis, Wissenschaft und Politik ein offenes Diskussionsforum für das breite Spektrum kinder- und jugendmedienschutzrelevanter Themen, Entwicklungen und Haltungen.