BzKJAKTUELL 2/2024 Zielgruppe Kinder und Jugendliche: Rechtsextreme Narrative in sozialen Medien - erkennen und reagieren

Sebastian Gutknecht, Direktor der BzKJ, eröffnet die Ausgabe mit einer Einführung zum am 14. Mai 2024 in Deutschland in Kraft getretenen Digitale-Dienste-Gesetz (DDG). Das DDG setzt die europäische Verordnung „Digital Services Act“ (DSA) um und legt die organisatorische Ausgestaltung des DSA für Deutschland fest. Die BzKJ spielt eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der Vorschriften im Bereich der Überprüfung von strukturellen Vorsorgemaßnahmen von Plattformanbietern für Kinder und Jugendliche. Hierzu hat die bei der BzKJ eingerichtete und unabhängige „Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten“ (KidD) ihre Arbeit aufgenommen.

Neben den aktuellen Entwicklungen rund um den DSA, dass DDG und die KidD beschäftigt die BzKJ derzeit auch die Zunahme rechtsextremistischer Inhalte in - speziell auch kinder- und jugendaffinen – sozialen Medien. Die Artikel der vorliegenden BzKJAKTUELL schaffen Orientierung und leisten einen Beitrag zum Thema.

Gast-Editorial des Vorsitzenden der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien

Im Rahmen eines Gast-Editorials ordnet Thomas Salzmann, stellvertretender Direktor der BzKJ und Vorsitzender der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien, die Phänomene rund um rechtsextreme Inhalte in sozialen Medien zunächst im Kontext der Prüfstelle ein. Im Rahmen der Spruchpraxis führt die bei der BzKJ angesiedelte Prüfstelle seit 70 Jahren gerichtsähnliche Verfahren zur Abwägung der durch Medien verursachten Gefährdung der Erziehungs- und Entwicklungsziele in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit vor allem der Kunst- und Meinungsfreiheit durch.

Thomas Salzmann erklärt:

„Im Falle von rechtsextremistischen Inhalten geht es also nicht um die Frage, ob die Inhalte im politisch rechten Spektrum zu verorten sind, sondern darum, ob sie zum Beispiel verrohend wirken, Menschengruppen diskriminieren, die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen gefährden oder zu Gewalttätigkeit oder Rassenhass anreizen. All diesen Fallgruppen liegt letztlich ein Maß an Menschenwürdefeindlichkeit zugrunde, das zur Annahme einer jugendgefährdenden Wirkung führen kann und im Einzelfall die Meinungs- und Kunstfreiheit in den Hintergrund treten lässt.“

Grundlagen rechtsextremer Narrative

Professor Dr. Fabian Virchow von der Hochschule Düsseldorf führt im ersten Schwerpunktbeitrag „Narrative der extremen Rechten“ grundlegend in die Thematik rechtsextremer Narrative ein und beschreibt, warum diese besonders in der heutigen Zeit eine große Herausforderung darstellen und warum sie so schwer zu erkennen sind.

Virchow konstatiert, dass sich der Bedeutungszuwachs der extremen Rechten nicht nur in Wahlergebnissen widerspiegelt; dieser sei auch an einer starken Präsenz ihrer Akteurinnen und Akteure im öffentlichen Diskurs abzulesen. Der Beitrag beleuchtet die subtilen Mechanismen, durch die rechtsextreme Ideologien in den digitalen Medien, insbesondere auf Social-Media-Plattformen, verbreitet werden.

Rechtsextreme Narrative und Social-Media-Influencende

Im zweiten Schwerpunktbeitrag „Rechtsextreme Narrative und Social-Media-Influencende“ beschäftigen sich Sophia Rothut (LMU München), Darian Harff (KU Leuven) und Professor Dr. Cornelius Puschmann (Universität Bremen) mit den potenziellen Auswirkungen rechtsextremistischer Narrative auf die politische Willensbildung von Kindern und Jugendlichen, auch durch Einflussnahme von Social-Media-Influencenden. Hintergrund ist, dass bei jungen Internetnutzenden Social-Media-Plattformen als Verbreitungskanäle rechtsextremistischer Narrative immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Der Beitrag skizziert, wie „die indirekte Weiterverbreitung extremistischer Narrative in den sozialen Medien und eine schleichende Verschiebung des öffentlichen Diskurses hin zu radikaleren Positionen rechtsextremer Akteurinnen und Akteure in die Hände“ spielt.

Mehrdimensionale Strategie gegen rechtsextreme Einflüsse

Flemming Ipsen von jugendschutz.net erörtert im dritten Schwerpunktebeitrag „Mehrdimensionale Strategie gegen rechtextreme Narrative zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Social Media“ praktische Gegenstrategien und stellt Handlungsoptionen dar, wie durch Bildung und bewusste Mediengestaltung der Einfluss rechtsextremer Narrative auf junge Menschen minimiert werden kann.

Nach Ipsen „benötigt es eine mehrdimensionale Gegenstrategie, um Kinder und Jugendliche vor rechtsextremen Narrativen und antidemokratischer Einflussnahme zu schützen und sie gleichsam zu einem souveränen, kritisch-reflexiven Medienhandeln zu befähigen.“

Studien zum Hass im Netz: „Lauter Hass – leiser Rückzug“ und „Die TikTok-Intifada“

Im ersten Beitrag der Rubrik Wissenswert stellen Lutz Ickstadt und Lukas Bernhard die Studie zu Hass im Netz „Lauter Hass – leiser Rückzug“ und die Auswirkungen auf die Teilnahme am demokratischen Diskurs vor. Die Studie bietet detaillierte Einblicke in die Erfahrungswelten deutscher Internetnutzenden und liefert aktuelle Zahlen und Informationen zu Hass im Netz. Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie Hassrede besonders jüngere und marginalisierte Gruppen beeinflusst und welche Maßnahmen erforderlich wären, um eine inklusive und respektvolle Online-Kommunikation zu fördern.

Dr. Deborah Schnabel und Eva Berendsen erläutern im zweiten Wissenswertbeitrag die wesentlichen Inhalte aus dem Report der Bildungsstätte Anne Frank „Die TikTok-Intifada – Der 7. Oktober und die Folgen im Netz“. Sie verweisen außerdem auf den Bedarf von medienpädagogischen Angeboten sowohl in der Schule als auch im Bereich der außerschulischen Bildung. Weiterhin sprechen sich die Autorinnen dafür aus, dass Schülerinnen und Schüler früh über die Funktionsweisen von beliebten Social-Media-Plattformen aufgeklärt werden müssten.

Spruchpraxis der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien

Der Beitrag in der Rubrik „Spruchpraxis“ befasst sich passend zum Schwerpunktthema der Ausgabe mit jüngsten Indizierungen aus den Fallgruppen „Verrohung, NS-Verherrlichung und Anreizen zum Rassenhass“.

Die Entscheidung über eine Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien erfordert stets eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob wie und wie sich die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit im Verhältnis zur Jugendgefährdung auswirken. Das Prüfgremium richtet bei der Interpretation eines Verfahrensgegenstandes dabei den Blick immer auf die für das Medium empfänglichen Kinder und Jugendliche. Andere Heranwachsende bleiben bei der Beurteilung der jugendgefährdenden Wirkung außer Betracht.

Die ZUKUNFTSWERKSTATT: Diskursraum für den Kinder- und Jugendmedienschutz

Die Rubrik „ZUKUNFTSWERKSTATT“ berichtet über die sechste Beiratssitzung der BzKJ am 14. und 15. März 2024 in Berlin und über das gemeinsam von der BzKJ und den Mitgliedern des deutschen Safer Internet Centre veranstaltete Expert Summit „NextGen Media – Digitale Trends“ am 19. März 2024 in Berlin.

Der Beitrag bietet zudem einen Ausblick auf die Themen der ZUKUNFTSWERKSTATT 2024.

Die redaktionellen Beiträge der BzKJAKTUELL 2/2024 finden Sie im Servicebereich auf der Website der BzKJ.

Privatpersonen können Einzelhefte sowie ein Jahresabonnement der BzKJAKTUELL als Print- und / oder als Digitalausgabe erwerben. Weitere Informationen zur Fachzeitschrift und zu den Bezugsmöglichkeiten stehen ebenfalls im Servicebereich auf der Website der BzKJ zur Verfügung.

Über die BzKJAKTUELL

Die Fachzeitschrift BzKJAKTUELL wird von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) herausgegeben. Sie enthält den öffentlichen Listenteil der aktuellen Indizierungen von Filmwerken, Spielen, Schriftwerken, Tonwerken und Multimediawerken. Im redaktionellen Teil bietet sie mit Fachbeiträgen aus Praxis, Wissenschaft und Politik ein offenes Diskussionsforum für das breite Spektrum kinder- und jugendmedienschutzrelevanter Themen, Entwicklungen und Haltungen.